Im heutigen Schreibtipp befassen wir uns mit der Länge von – du ahnst es schon – Sätzen! Die Länge eines Satzes bestimmt mit, wie er auf uns wirkt und ob wir ihn leicht verstehen können oder nicht. In einer wissenschaftlichen Arbeit mögen lange, teils verschachtelte Bandwurmsätze als üblich und gut lesbar durchgehen. In einem Roman sieht das schon ein wenig anders aus. Hier hat die einfache, klare Sprache das leichtere Spiel – und das ganz unabhängig von deiner Zielgruppe. Mit einfach meine ich nicht einfältig, sondern angenehm leicht zu lesen und gut verständlich. »Schreibe kurz und sie werden es lesen. Schreibe klar und sie werden es verstehen«, vermittelte schon Joseph Pulitzer als ultimativen Schreibtipp. Du weißt schon, das ist der mit dem Literatur-Preis.
Zurück zur Satzlänge: Was ist also die optimale Länge von Sätzen im Roman? Nun, das kommt ganz darauf an, was du damit erreichen willst. Sucht man im Netz nach Antworten, heißt es meist, die optimale Satzlänge läge bei 10-20 Wörtern. Aber kann und sollte man das Optimum auf eine schnöde Zahl herunterreißen? Gehört zu einem guten Text nicht noch ein bisschen mehr als ausschließlich die Länge seiner Sätze? Man kann sich zwar an einer bestimmten Anzahl von Wörtern orientieren, doch für die Entwicklung des eigenen Sprachgefühls bringen uns Zahlen nicht unbedingt weiter. (Logisch, wir Autoren sind schließlich Buchstabenmenschen.) 😉
Kurze Sätze
In Actionszenen zum Beispiel und überall sonst, wo es um Spannung und rasches Tempo geht, haben kurze, prägnante Sätze einen ultimativen Vorteil: Sie sind leicht verständlich. Sie erhöhen die Taktzahl. Halten beim Lesen auf Trab. Schneller Rhythmus. Stakkato. Zack. Zack. Zack. Wie Wildwasserrafting durch Stromschnellen. Spannend! Der Protagonist droht zu kentern. Er schleudert hin und her. Und wir gleich mit. Da! Achtung! Ein Fels! Puh, da kommt man schnell außer Atem.
Einen ähnlichen Stakkato-Effekt erhältst du, wenn du in mehreren aufeinanderfolgenden Sätzen denselben Satzbau verwendest. Warum das jedoch nicht unbedingt empfehlenswert ist, kannst du demnächst hier nachlesen.
Mittellange Sätze
Soll es etwas ruhiger vonstattengehen, wie in Liebesszenen, der Innenschau oder Umgebungsbeschreibung etc., brauchen wir ein gemäßigteres Tempo, ein Mittelmaß. Nicht zu kurz und nicht zu lang. Wie im wahren Leben bewegen wir uns mit der goldenen Mitte in etwas angenehmerem Fahrwasser und schippern eher leicht und luftig durch die Handlung. Wir machen uns mit der Umgebung vertraut, freunden uns mit den Figuren an, tauchen tief in die Romanhandlung ein. Zahlenmäßig sind wir hier in etwa bei den 10-20 Wörtern. Und wie bei einer Fahrt im Ruderboot über einen ruhigen See, bleibt genügend Zeit, um die Aussicht zu genießen. Wellness für die Leserseele.
Lange Sätze
Extralange Bandwurmsätze sind ein Kapitel für sich. Sie sind vergleichbar mit einer dreiwöchigen Partyschiff-Kreuzfahrt über den Atlantik: Nicht jeder mag sie, nicht jeder versteht ihren Sinn und Zweck und es braucht einen langen Atem, den Party-Marathon bis zum Ende durchzuhalten. Manchmal kann man sich zum Schluss schon gar nicht mehr vorstellen, wie der Start gewesen ist, man hat vielleicht Erinnerungslücken, weil der Stoff »zu stark« war, oder stolpert irgendwo der Mitte und muss wieder zurück zum Ausgangspunkt, um alles, was geschehen ist, zu verstehen. Daher ist es ratsam, Bandwurmsätze – wenn überhaupt – im Roman nur äußerst sparsam einzusetzen.
Fazit
Wie bei allem im Leben und beim Schreiben: Die Dosis macht das Gift. Irgendwann kann es bei jeder Satzlänge zu viel werden. Bei einer geballten Ladung Spannung mit vielen kurzen Sätzen bekommt man irgendwann Schnappatmung. Dann brauchen deine Leser die Gelegenheit, wieder zu Atem zu kommen, ins Ruderboot umzusteigen und sich von der rasanten Wildwasserfahrt zu erholen. Nach gefühlten Stunden im Ruderboot kann es allerdings auch hier einseitig und damit langweilig werden. Da sorgt ein kurzer Abstecher ins Wildwasser für neuen Schwung. Die Abwechslung macht’s. Eine Variation der Satzlänge trägt zu einem ausgewogenen Tempo und einem angenehmen Leserhythmus bei, damit deine Leser sich in deinem Roman rundum wohlfühlen.
Wie du außerdem noch für einen angenehmen Leserhythmus sorgst, erfährst du bald in meinem Beitrag zu Rhythmus und Textmelodie.
Hast du Lust bekommen, ins Boot für bessere Texte einzusteigen und mit mir auf Lektorats-Fahrt zu gehen? Von Herzen gern unterstütze ich dich bei der Fertigstellung deines Romans.
Damit dein Roman nicht nur gut wird, sondern tief berührt.
Dein Roman ist meine Leidenschaft.
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